„Unser Werthhoven 50 Jahre Teil von Wachtberg – Schicksal oder Chance?“

Vortrag am 22.4.2022 im Pössemer Treff

Ein Vortrag von Altbürgermeister Hans-Jürgen Döring

Als mich Herr Duch frug, ob ich zu diesem Thema einen Vortrag halten würde, war ich sehr erfreut, zugleich aber auch etwas irritiert. Der agile, von mir sehr geschätzte  Vorsitzende des Werthhovener Bürgervereins weiß doch ganz genau, dass ich seit der Geburtsstunde Wachtbergs am 1.8.1969  dabei war. Erwartet er ausgerechnet von mir, dass ich mich völlig neutral mit dieser Frage auseinandersetzen würde, vielleicht sogar mit dem Ergebnis, die vergangenen Jahrzehnte  zum Irrtum zu erklären?

Was führt er im Schilde?

Um allen Spekulationen vor zu beugen, sage ich daher von vornherein und unmissverständlich hier vor Zeugen, dass ich die kommunale Neuordnung des Jahres 1969 für richtig halte und behaupte steif und fest, dass auch unser schönes Pössem davon profitiert hat.

Schließlich habe ich mich 35 dieser vergangenen inzwischen 52 Jahre darum bemüht mit vielen anderen daran zu arbeiten, die Bedingungen  in unseren Dörfern so zu gestalten, dass man gerne hier lebt.

Nun könnten wir jetzt nach Hause gehen, weil die gestellte Frage beantwortet ist. Nicht allerdings ohne zuvor den Umweg über die Theke mit dem angekündigten Ahrwein zu machen.

Aber: Bleiben wir ruhig zusammen.

Ich verspreche, Butter zum Fisch zu liefern und diese meine Meinung mit Fakten zu begründen. Und zwar nicht mit den nüchternen Feststellungen eines Historikers – der ich nicht bin - , sondern aus zwei durchaus  ganz persönlichen Blickwinkeln: 
zum einen als langjähriger Mitarbeiter in verschiedenen Funktionen im Berkumer Rathaus. Aber auch als einer, der hier seit 50 Jahren mit seiner Familie lebt, mit Begeisterung am dörflich-gesellschaftlichen Leben teilnimmt und viele persönliche Kontakte zu Werthhoven und seinen Werthhovenern hat.

Im Übrigen: Ich sehe in der vorgegebenen Fragestellung – Schicksal oder Chance? – keinen Konflikt, bei dem man sich für die eine oder die andere Seite entscheiden muss. Wer seine Chancen nutzt, kann sein von oberen Mächten vorgegebenes Schicksal durchaus akzeptabel gestalten, ohne ihm bedingungslos  ausgeliefert zu sein.

Diese Schicksals-Mächte saßen damals in Düsseldorf und hatten den seriös klingenden Namen „Landtag des Landes NRW“. Hier wurde der Gedanke geboren, den Bonner Raum neu zu ordnen. Mit Nachdruck und nicht ganz ohne Zwang. Das Ergebnis ist das Gesetz, das am 1.8.1969 in Kraft trat. Eine seiner Folgen war, dass Werthhoven seine Selbständigkeit als Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts verlor und als Ortschaft Teil der neuen Gemeinde Wachtberg wurde.

Das ist uns allen bekannt.

Aber was war der Hintergrund?

Ich werde davon erzählen, wie uneffektiv die damalige kommunale Organisation war und was es bedeutete, dass Bonn Sitz der Regierung der jungen Bundesrepublik Deutschland wurde.

Vorbemerkung: Die Werthhovener sind Rheinländer. Sie sind gestählt, wenn es um das Ertragen von Veränderungen geht.

Es ist erst ein paar Generationen her, da waren der Wechsel vom kurfürstlichen Absolutismus in die die französische Militärverwaltung und sogar die Zwangseinbürgerung in das napoleonische Frankreich zu verkraften. Und als Sahnehäubchen 1815 die Einverleibung durch die völlig wesensfremden Preußen.

Das härtet ab. Was bedeutet dem gegenüber schon die kommunale Neuordnung des Jahres 1969?

Wo wir gerade so schön beim Blick zurück und beim Theoretisieren sind: welche Alternativen hätte es denn gegeben?

Um das zu beantworten, müssen wir einen Blick auf die Umstände werfen, die zu dieser Neuordnung führten.

Ich hatte als junger Verwaltungsfachhochschul-Absolvent und frischgebackener Inspektor des Landkreises Bonn bereits 1967 Kontakt zum Berkumer Rathaus. Oberkreisdirektor Dr. Robert Eggert ließ fragen, wer Interesse daran hätte, in der notorisch unterbesetzten Amtsverwaltung auszuhelfen. Ich überlegte nicht lange und so landete ich für rund 7 Monate im damaligen Amt Villip in Berkum.

Was fand ich vor?

Neben einer Handvoll liebenswürdiger und engagierter Mitarbeiter vor allem ein Chaos, das jede planerische Verwaltungsarbeit im Keim erstickte. Für rund 10.000 Bürger waren eine Amtsvertretung mit einem Amtsbürgermeister, 10 Gemeinderäte mit je einem Bürgermeister sowie ein Wasserbeschaffungsverband, ein Bullenhaltungsverband und ein Schulzweckverband tätig. Für deren Sitzungen musste der Amtsdirektor im Berkumer Rathaus Tagesordnungen entwickeln, Einladungen verfassen, Veröffentlichungen veranlassen, Niederschriften fertigen und Beschlüsse ausführen.  Und diese Vertretungen hatten zumindest einen Hauptausschuss, zumeist auch einen Bauausschuss und so weiter; für die galt dasselbe Procedere.

Für jede der 10 Gemeinden und auch das Amt Villip in Berkum  waren Haushaltspläne aufzustellen und Rechnung zu legen.

Kurz gesagt, die kommunale Selbstverwaltung jener Jahre war überwiegend mit sich selbst beschäftigt. Das lag nicht an ihr, sondern an den gesetzlichen Vorgaben der Gemeindeordnung NRW von 1952 und der Amtsordnung von 1953 – für jede noch so popelige Gemeinde galten dieselben Verfahrensvorschriften wie für Großstädte wie Köln oder Bonn. Die Grundlagen schuf Napoleon zu Beginn des 19. JH; die Preußen übernahmen seine Ideen.

Erschwerend kam hinzu, dass man hier auf dem platten Land kein attraktiver Arbeitgeber war. Junge Leute gingen zu Stadt Bonn, der Kreisverwaltung in der Bachstraße und zunehmend zu den sich langsam etablierenden Bundesbehörden, seit Bonn zum provisorischen Sitz der Regierung der Bundesrepublik Deutschland  gekürt war. Wer ging denn schon ins Ländchen?

Das ist der Blick auf die lokale Situation, die allein für sich genommen nach Veränderung verlangte.

Auf diese kleinkarierte, zergliederte kommunale Organisation, mit der sich alle Städte und Ämter der Region herumplagten, trafen immer heftiger die Ansprüche eines sich immer kräftiger entwickelnden Staates an seine Hauptstadt.

Ich durfte am 1.8.2019 in der vollbesetzte Berkumer Aula den Festvortrag zum 50jährigen Jubiläum Wachtbergs halten. Ich zitiere aus dieser Rede:
Die kleine, völlig unterbesetzte Amtsverwaltung war mehr mit innerer Organisation befasst als mit perspektivischen Planungen .Die waren aber dringend erforderlich, insbesondere, nachdem Bonn 1949 provisorischer Sitz der Bundesregierung geworden war. Und als Walter Ulbricht 1961 die Mauer errichten ließ wurde das Provisorium zementiert, denn eine rasche Wiedervereinigung mit einer Hauptstadt Berlin war in weite Ferne gerückt. 

Ob Provisorium oder nicht: Abgeordnete, Mitarbeiter der neuen Ministerien und ihre Familien, ausländische Diplomaten, Journalisten und Lobbyisten der Wirtschaft drängen ins Bonner Umland. Die Kommunalverwaltung war unter den geschilderten Umständen völlig überfordert, dieser Entwicklung durch eine geordnete Bauleitplanung, durch Schulneubau, Straßenbau, Kanalisation usw. zu begegnen. Die Einwohnerzahl im Ländchen hatte sich bis 1969 verdoppelt – und weniger als 10 % aller Haushalte waren damals kanalisiert.

Im Düsseldorfer Landtag hielt Innenminister Weyer eine Brandrede. Er sprach vom Bonner Chaos und dass es höchste Zeit werde, dass Bonn und das Umland ihre Aufgaben als Regierungssitz endlich besser lösen würden. Er kündigte einen Gesetzesentwurf an, um den Bonner Raum völlig neu zu ordnen.

Die weitere Entwicklung kennen wir.

Kehren wir zur Frage des Abends zurück: War diese Entwicklung als Schicksalsschlag zu werten oder verbargen sich darin echte Chancen auch für unser Werthhoven? 

Um das zu beantworten müssen wir sehen, was in der Folgezeit passiert ist.
Der Gemeinderat der neuen Gemeinde trat unter Vorsitz von Josef Bedorf aus Gimmersdorf im Dezember 1969 erstmals zusammen und traf direkt die Entscheidung, die Investitionsmittel der kommenden  Jahre auf die Kanalisation den Schulbau sowie Sportstätten und Kindergärten zu konzentrieren.

Innerhalb von zehn Jahren wurden in einem großartigen Arbeitsklima fertiggestellt: Ein Schulzentrum mit Aula, Dreifachsporthalle und Hallenbad, 6 weitere Sportanlagen, Kindergärten, Kläranlagen, Abwassertransportsammler und Kanalisation, Rheinhöhenfriedhof und vieles mehr.

Zugleich wurde eine leistungsfähige Verwaltung aufgebaut, Fachkräfte angeworben, eigener Nachwuchs ausgebildet und ein gemeindlicher Bauhof eingerichtet.

Auch die Jahre danach brachten erhebliche Verbesserungen: Neubau des Altenheims der Limbach-Stiftung mit erweitertem Angebot für Demenzerkrankte, Konzentration eines Rettungsdienstes in der Mitte des Gemeindegebiets, Entwicklung eines Gewerbegebiets und die Durchsetzung des Einkaufszentrums.

Zugleich versuchte die Gemeinde, die Kontaktmöglichkeiten zwischen den vielen Neubürgern und den Alteingesessenen zu aktivieren; es entstanden Bürgertreffs, eine eigene Volkshochschule, Kulturangebote vom Theater bis zu den populären Kulturwochen.

Ich könnte hierüber noch eine halbe Stunde lang erzählen, beschränke mich aber auf Beispiele.

Das alles diente der Entwicklung aller Ortsteile, aber eben auch der Entwicklung hier in Pössem.

Ich komme wieder auf die gestellte Frage Schicksal oder Chance zurück und werfe mit Ihnen nochmal einen Blick auf die Ausganslage in den 60er Jahren

Als schicksalhaft werden wohl Orte wie Fritzdorf, Adendorf oder auch Pech die Eingliederung nach Wachtberg empfunden haben: Sie mussten sich dem nach ihrem Empfinden höheren Gewalt aus Düsseldorf nur widerwillig beugen. Das lassen zumindest die vielen kontroversen Meinungsbilder vermuten, die die Archive bereichern.

Unser Werthhoven hingegen gehörte zu dem Club der „Gutwilligen“, die unter Meinungsführung des Niederbachemer Gemeinderats den Standpunkt vertraten, lieber unter Gleichberechtigten ein eigenständiges, aber gemeinsames Konstrukt zu bilden als sich von der Stadt Bonn oder auch von Meckenheim „fressen“ zu lassen.

Pläne dieser Art gab es schließlich, noch in der letzten Lesung des Gesetzes im Landtag wurde der Vorschlag wiederholt eingebracht, das Ländchen zwischen Bonn und Meckenheim auf zu teilen. Nur knapp wurde das abgeschmettert.

Zu diesem Club der „Gutwilligen“ gehörten ferner Berkum, Züllighoven, Holzem, Gimmersdorf und unter Führung von Amtsbürgermeister Josef Bedorf das Amt Villip in Berkum.

Alle anderen, vor allem Villip, Pech, Adendorf, Arzdorf, Fritzdorf und auch Ließem agierten ablehnend oder zumindest abwartend.
Schließlich aber einigte man mit sanfter Nachhilfe aus Düsseldorf auf einen gemeinsamen Gebietsänderungsvertrag, der dann Bestandteil des Gesetzes und damit rechtsverbindlich wurde. Am Rande bemerkt: Dieser Vertrag enthielt die Vorgabe, die beteiligten 13 ehemaligen Kommunen gleichmäßig zu entwickeln! Was bedeutet gleichmäßig? Jeder Ortschaft ein eigenes Schwimmbad oder eine Sporthalle?

Wie unrealistisch diese Formulierung war stellte sich bald heraus.

In Werthhoven werden die Diskussionen sicher ebenfalls kontrovers geführt worden sein, sie gelangten aber nie zur „amtlichen“ Reife.

Ich vermute mal, dass die Raumordnung in Pössem nicht wirklich als furchtbarer Schicksalsschlag empfunden wurde.

Vielleicht kommt diese Akzeptanz auch darin zum Ausdruck, mit wie vielen Mandatsträgern aus Werthhoven der im November 1969 erstmals gewählte Gemeinderat besetzt war. Wenn man unzufrieden ist, etwas vermeiden oder verändern will, steigt man sinnvoller Weise bei dem ein, der das Sagen hat. Und das war und ist der Rat der Gemeinde Wachtberg.

Wenn wir heute 6 statt anfangs 3 politische Kräfte im Rat haben, ist das Ausdruck genau dieser Haltung.

Ich habe mir die Zahlen angesehen und war selbst überrascht, wie relativ zurückhaltend das Werthhovener Element vertreten war und ist. Ich zähle auf, wobei ich darauf hinweisen muss, dass die Ratssitze in den vergangenen rund 50 Jahren von 27 auf 50 angewachsen sind.

Wahlperiode 1 ab 1969:

  • Franz Velten

WP 2

  • Joachim von Heymann,
  • Friedrich Schreyer,
  • Franz Velten,
  • Dieter Münch     (Höhepunkt der Werthhovener  Beteiligung)

WP 3

  • J.von Heymann,
  • Fr. Velten,
  • Dieter Lange

WP 4

  • J.v. Heymann,
  • Günter Kläser,
  • Michael Marcus

WP 5

  • G. Kläser

WP 6

  • G. Kläser

WP 7

  • Bruno Bollig,
  • Ottfried Schmid,
  • Jörg Willms

WP 8

  • Norbert Forst,
  • O. Schmid,
  • Thorsten Grenzmeier

WP 9

  • Andrea Lohmeier,
  • Thomas Franz

WP 10, also aktuell

  • Andrea Lohmeier

Ich locke jetzt mal bewusst Wiederspruch heraus in dem ich behaupte, dass diese geringe Repräsentanz Werthhovens nicht Ausdruck einer Resignation sondern vielmehr einer latenten Akzeptanz der durch die Raumordnung geschaffenen Fakten war und ist.

Ob diese Vermutung zutrifft oder nicht: Es ist Tatsache: Pössem hält sich bei der Beeinflussung der politischen Willensbildung deutlich zurück.

Richtig ist aber auch, dass unter den Ratsmitgliedern aus Pössem mit Joachim von Heymann ein ehrenamtlicher Bürgermeister und mit Franz Velten und Michael Marcus 2 Fraktionsvorsitzende und damit politische Schwergewichte waren.W

Werthhoven hat sich verändert.

Das Pössem des Jahres 2022 ist nicht mehr das des Jahres 1969.

1969 hatte Werthhoven 453 Einwohner, heute sind es 1.062. Das ist ein Zuwachs von 134 %, der übrigens erst nach der kommunalen Neuordnung eingetreten ist.

Das kann doch wohl kein Ausdruck von schicksalhafter Ergebenheit sein, zumal wenn man sieht, dass der Zuwachs auf Gesamtgemeindeebene bei 61 % liegt – seit 1969.

Die meisten Zuwächse in den Wachtberger Ortschaften setzten bereits in dem Moment ein, in dem Bonn Sitz der Regierung wurde (Ließem z.B. hat sich zwischen 1950 und 1969 mehr als verdoppelt). Nicht so in Werthhoven, zwischen 1950 und 1969 stieg die Zahl von 336 auf die schon genannten 453.

Das heißt: Der eigentliche Zuwachs kam, nachdem Werthhoven seine Eigenständigkeit verloren hatte und seit dem ein Ortsteil der Gemeinde Wachtberg ist. Kann das ein Ausdruck von Misstrauen gegenüber der kommunalen Neuordnung sein?

Aber es gab natürlich auch negative Entwicklungen. Hatten sie jedoch mit der Raumordnung zu tun?

Die Schulreform des Landes NRW im Jahr 1965 schuf die Trennung von Grundschule und Hauptschule und damit die Abschaffung der 8klassigen Volksschule. Die Folge: Die hiesige Zwergschule, in deren Gebäude wir uns befinden, wurde aufgelöst und die Kinder gingen in die 1976 eingeweihte dreizügige Grundschule im Berkumer Schulzentrum. Dass die Schulreform so spät realisiert wurde war mit dem Land abgestimmt, weil man die kommunale Neuordnung abwarten wollte. Die aber war nicht der Veranlasser dieser Veränderung.

Keine Kneipe mehr im Ort, kein rustikaler Dorfsaal mehr (an dem viele meiner schönsten Erinnerungen hängen).
Damit hatte Pössem ein Stück Herz verloren, doch die Gründe lagen im Privaten und im veränderten Gesellschafts- und Konsumverhalten, das landesweit zum Kneipensterben führte. Unser heutiger Gastgeber, der Bürgerverein, bemüht sich nach Kräften um Alternativen. Dafür hat er Respekt verdient.

Und dass es seit Jahrzehnten keine Einkaufsmöglichkeiten vor Ort gibt – dieses Schicksal teilt man mit den meisten kleineren Orten landauf, landab. Lohnte sich noch mit viel Engagement bei geringem Gewinn der familiengeführte Tante-Emma-Laden – jüngere Menschen haben andere Berufsziele vor Augen und wollen nicht mehr wie Mama und Papa hinter der Ladentheke stehen.
 Und die großen Ketten beliefern schon seit langem keine Betriebe mehr, die nicht mindestens eine Ladenfläche von 600 qm haben.

Ich komme langsam zum Ende mit einem Blick auf das, was Werthhoven einzigartig macht, unabhängig von den Einflüssen der kommunalen Neuordnung.

Mit der kommunalen Neuordnung war vielerorts die Befürchtung verbunden, einzelne Orte könnten ihre Identität verlieren. Das ist nach meiner Beobachtung nirgendwo eingetreten, auch und vor allem in unserem Pössem nicht. Dazu trägt sicher bei, dass Werthhoven auf einmalige Herausstellungsmerkmale verweisen kann.

Ein paar Beispiele gefällig?

  • Von Werthhoven kann man von erhöhtem Standort auf die anderen Dörfer herabblicken. Dafür müssten die Pössemer einen Spaziergang machen durch die Felder Richtung Landesgrenze, dort wo sich bis vor kurzem noch technische Anlagen des „Instituts“ befanden. Der mit 269,2 m höchste Punkt Wachtbergs befindet sich nämlich in der Gemarkung Werthhoven. Der Wachtberger Wanderverein hat an dieser Stelle ein wenig Landschaftsgestaltung betrieben und eine hübsche Info-Tafel aufgestellt. “Wachtberger Höhe“ heißt seit dem dieser Ort.
     
  • Eine Werthhovener Landmarke als modernes Wahrzeichen Wachtbergs im allgemeinen Bewusstsein: Das Radom der Fraunhofer Gesellschaft, kurz „die Kugel“ genannt. Werthhoven ist damit seit Mitte der 60er Sitz einer wissenschaftlichen Einrichtung von internationalem Rang und zugleich des mit Abstand größten Arbeitgebers in Wachtberg: Rund 600 hochqualifizierte Kräfte arbeiten für die beiden Institute für Hochfrequenzphysik und Radartechnik.
     
  • Weiter in der Aufzählung der Besonderheiten: Wer kennt nicht die Story der Namenswandlung von Pissenheim in Werthhoven in den 30er Jahren? Eine der originellsten Anekdoten in unserer geschichtenreichen Region. Ich freue mich immer über staunende Gesichter, wenn ich bei meinen Führungen im Ehrenmal auf dem Wachtberg die Stele mit dem Namen Pissenheim vorstelle.
     
  • Der älteste Wachtberger Sakralbau steht in der Ortsmitte, die kleine Jakobuskapelle mit ihrer großartigen Innenausstattung. Sie wird urkundlich erstmals im Jahr 898 erwähnt. Schade nur, dass dieses großartige Baudenkmal sich die Nachbarschaft seit Jahren mit zwei hässlichen Bauruinen teilen muss.
     
  • Ebenfalls auf Werthhovener Gelände wird Fußball auf hohem Niveau gespielt, und zwar in der Landesliga. Gegenüber der Kugel befindet sich der vom SV Wachtberg gepachtete Sportplatz.
     
  • Ich bin noch nicht fertig mit den Heraushebungsmerkmalen:
  • In Werthhoven wurde der erste kommunale Kindergarten Wachtbergs eröffnet. Das war nach meiner Erinnerung Anfang der 90er, vorausgegangen waren heiße Diskussionen in der Kommunalpolitik. Denn die Trägerschaft von Kindergärten hatte man bisher aus traditioneller Überzeugung den Kirchen überlassen. Wachtberg sah sich nun gezwungen, sich selbst zu engagieren, weil dringender Bedarf bestand und die Kirchen nicht mehr zu begeistern waren. Das war wie ein Dammbruch: Heute hat Wachtberg 6 kommunale Kindergärten. Der Kompromiss damals: Man errichtete das Werthhovener Gebäude in Fertigbauweise. Das hätte sich schnell wieder abbauen lassen. Nun: Es steht heute noch und der Maulwurfshügel am Feldpütz erfreut sich nach wie vor größter Wertschätzung.
     
  • Und natürlich muss man das einzige in Wachtberg bestehende Heim zur Förderung behinderter Menschen ganz besonders hervorheben. Das Jakobushaus am Feldpütz wurde von der unvergessenen Werthhovenerin Maria Sens initiiert und wird bis heute getragen von einem ehrenamtlich tätigen Verein – Respekt!

Bei so vielen Herausstellungsmerkmalen dürfte kaum Gefahr bestehen, einen Verlust Werthhovener Identität zu befürchten. Dafür sorgen schon der aktive und selbstbewusste Bürgerverein, bei dem wir hier zu Gast sind, sowie auch zwei wichtige politische Initiativen aus der "Gründerzeit"“:

Wie schon dargestellt, verloren jahrhundertelang selbständige Gemeinwesen mit der kommunalen Neuordnung ihre Selbständigkeit. Um die spezifischen Belange der Orte bei der „Zentralgewalt“ zu vertreten sieht das Kommunalrecht zwei Möglichkeiten vor: einen Ortsvorsteher oder eine mehrköpfige Bezirksvertretung, die durch Wahlen besetzt wird.

Wachtberg hat als einzige Kommune im Rhein-Sieg-Kreis die Möglichkeit gewählt, Ortsvertretungen einzurichten, um Meinungen und Vorstellungen vor Ort mehr Gewicht zu verleihen. Sitzungen der Ortsauschüsse sind je nach Tagesordnung oft besser besucht als Sitzungen des Gemeinderates. Die Werthhovener Ortsvertretung besteht aktuell aus 9 Mitgliedern, Vorsitzender ist Steffen Kömpel aus Berkum.

Eine kluge Entscheidung war es auch, die Ortseingangstafeln so zu beschriften wie wir sie kennen: groß Werthhoven, darunter klein Gemeinde Wachtberg. Man hätte auch in Groß schreiben können: Gemeinde Wachtberg und in Klein Ortsteil Werthhoven.

Dass man sich vor mehr als 50 Jahren anders entschied zeugt von dem Respekt gegenüber den teilweise mehr als 1000 Jahre alten Dörfern und ihren Namen.

Ich darf damit schließen und mich Ihren Fragen oder auch Gegenargumenten stellen.

Dem Bürgerverein und seinem Vorsitzenden möchte ich für die Initiative zu dieser Vortragsreihe gratulieren und allen, die sich in der Seniorenarbeit, der Jugendbetreuung und durch sportliche Aktivitäten ehrenamtlich um unser schönes Pössem bemühen viel Erfolg wünschen.

Ich danke, dass Sie mir so geduldig zugehört haben.

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